Bewerbung schreiben mit 60 Jahren – lohnt sich das?

Die Kinder sind längst außer Haus, die Rente ist in Sicht und der Alltag ist berechenbar und gemütlich geworden. Die letzten paar Jahre bis zum wohlverdienten Ruhestand kannst du auch noch im gewohnten Arbeitsumfeld verbringen. Trotzdem willst du noch einmal beruflich durchstarten. Aber nehmen Unternehmen überhaupt noch jemanden in deinem Alter? Oder ist das Rennen längst gelaufen, weil die meisten Unternehmen sowieso nur junge Bewerber einstellen? Diesen Fragen gehe ich in diesem Artikel nach. Außerdem erkläre ich dir, wie du auch als alter Hase noch eine neue berufliche Herausforderung in Angriff nehmen kannst.

Vorurteile und Realität

Wenn Arbeitnehmer in den letzten Jahren vor der Rente noch mal einen Jobwechsel wagen, treffen sie nicht nur bei Familie und Freunden auf Unverständnis. Auch mögliche Arbeitgeber fragen sich, warum du deinen aktuellen Job so kurz vor dem Renteneintritt noch mal wechseln willst. Hinzu kommt die Altersdiskriminierung, die in einigen Unternehmen gelebte Realität ist. Und sie betrifft nicht nur Bewerber jenseits der 60.

Die Vorurteile ähneln sich: Ältere Bewerber seien weniger flexibel, technisch nicht auf dem neuesten Stand, gesundheitlich weniger belastbar oder hätten zu hohe Gehaltsvorstellungen. Das klingt auf den ersten Blick entmutigend, ist aber oft nur die halbe Wahrheit. Denn viele Unternehmen haben längst erkannt, dass Erfahrung, Altersgelassenheit und eine solide Portion Lebenserfahrung für ein Team Gold wert sein können. Wer schon Krisen gemeistert, Projekte gesteuert und Konflikte gelöst hat, bringt Fähigkeiten mit, die keine Schulung vermitteln kann. In Zeiten des Fachkräftemangels zählt oft nicht das Geburtsjahr, sondern ob jemand zuverlässig, einsatzbereit und kompetent ist. Zudem entstehen in immer mehr Unternehmen Programme, die gezielt ältere Bewerber ab 50 Jahren unterstützen.

Diverse Unternehmen setzen auf Mentoring-Modelle, in denen erfahrene Kräfte ihr Wissen an Jüngere weitergeben. Hierzu zählen beispielsweise die Senior-Experts-Programme von Daimler und Bosch. Andere Firmen bieten spezielle Onboarding-Formate für Berufserfahrene, die einen sanften Einstieg ermöglichen. Zudem gibt es in manchen Unternehmen auch spezielle Gesundheitsangebote für ältere Mitarbeiter. Diese Entwicklungen zeigen, dass nicht alle Unternehmen ausschließlich auf junge Bewerber setzen, sondern die Erfahrung der alten Hasen zu schätzen wissen und sich auf die besonderen Bedürfnisse der älteren Mitarbeiter eingestellt haben.

Trotz dieser Positivbeispiele kommt der Idealbewerber gerade frisch von der Uni oder hat gerade die Ausbildung abgeschlossen. Denn Alter ist in den Köpfen der meisten Arbeitgeber immer noch negativ besetzt. Diese Vorurteile verschwinden nicht von heute auf morgen. Dennoch kannst du im Bewerbungsprozess positiv überraschen, wenn du dich offen für neue Arbeitsweisen zeigst und signalisierst, dass du bereit bist, dich auf Veränderungen einzulassen. Dann denkt der Personaler nicht an dein Alter, sondern an die Entlastung, die du mit deiner Erfahrung und Gelassenheit ins Team bringst.

Stärken im Alter

Wer mit 60 eine Bewerbung schreibt, hat mehr vorzuweisen als ein paar Jahrzehnte Berufserfahrung, die im Lebenslauf gut aussehen. Da ist zum Beispiel die Ruhe, die man nicht in der Schule oder Uni lernt und die auch kein Crashkurs vermittelt. Wer schon mehrere Umstrukturierungen, wechselnde Chefs und vielleicht sogar Krisen überstanden hat, weiß, wie man sich schnell an neue Situationen anpasst. Wenn es brenzlig wird und den jüngeren Kollegen der Angstschweiß auf der Stirn steht, bleibt dein Puls stabil.

Dazu kommen Soft Skills, die im Berufsalltag Gold wert sind: Verlässlichkeit, Konfliktfähigkeit, ein gutes Gespür für Menschen und ein realistischer Blick auf Machbares. Auch dein Netzwerk ist ein entscheidender Pluspunkt. Über die Jahre entstehen oft wertvolle Kontakte – nicht nur zu Kollegen, sondern auch zu Kunden, Lieferanten und Partnern –, die jüngere Bewerber nicht mitbringen. In Zeiten, in denen Beziehungen Türen schneller öffnen als Qualitätsversprechen und Zertifikate, ist das ein Vorteil, der bei Arbeitgebern gut ankommt.

Wenn du dich im hohen Alter für eine neue Stelle entscheidest, ist die Motivation auch oft eine andere als mit 25. Es geht nicht um die große Karriere oder einen möglichst prestigeträchtigen Titel, sondern um Sinnhaftigkeit, Freude an der Aufgabe und das Gefühl, etwas zu bewegen. Viele Arbeitgeber schätzen diese Haltung, denn sie sorgt für Stabilität und Harmonie im Team und dafür, dass Ziele langfristig verfolgt werden.

Ältere Mitarbeiter bringen mehr mit als nur Berufserfahrung

Typische Hindernisse & wie man ihnen begegnet

Du willst dich mit 60 noch mal auf einen neuen Job bewerben? Dann musst du dich den Vorurteilen stellen, mit denen viele Arbeitgeber älteren Bewerbern begegnen. Ein echter Klassiker ist die Technik. Arbeitgeber fürchten, dass Bewerber jenseits der 60 nicht so digitalaffin sind wie jüngere. Das lässt sich leicht entkräften – zum Beispiel, indem du im Anschreiben und/oder Lebenslauf digitale Tools oder Programme benennst, mit denen du arbeitest. Denke auch daran, deine Software-Kenntnisse entsprechend einzuordnen, z. B. mit „Grundkenntnisse“ oder „Expertenkenntnisse“. Wenn dir Kenntnisse fehlen, die in der Stellenausschreibung gefordert werden, kann ein kurzer Hinweis im Anschreiben, dass du dich gerne weiterbildest, wahre Wunder wirken.

Arbeitgeber fragen sich, warum du in deinem Alter einen neuen Job suchst. Erkläre deswegen deinen Wechselwunsch im Anschreiben nachvollziehbar und ehrlich.

Jessika Wolmeringer

Wenn du den Grund für deine Jobsuche nicht benennst, kann es sein, dass Personaler deinen Wechselwunsch negativ einordnen. Dann landet deine Bewerbung schneller im digitalen Papierkorb, als du dir vorstellen kannst.

Auch das Vorurteil, dass ältere Bewerber überzogene Gehaltsvorstellungen haben, hält sich hartnäckig. Arbeitgeber gehen davon aus, dass langjährige Erfahrung automatisch teuer sein muss. Wenn du deine Gehaltsvorstellungen flexibel formulierst, dich an realistischen Marktwerten orientierst und den Mehrwert, den du ins Team einbringst, klar formulierst, wirkt deine Bewerbung direkt viel interessanter.

Achte bei der Erstellung des Lebenslaufs darauf, dass du nicht jede Station seit der Ausbildung bis ins kleinste Detail erklärst. Insbesondere bei häufigen Stellenwechseln wird der Lebenslauf sonst viel zu lang. Hebe stattdessen lieber die letzten beruflichen Stationen und deine erzielten Erfolge hervor. So unterstreichst du, dass du auch noch als älterer Mitarbeiter Einsatz und Motivation im Job zeigst.

Wenn du schon länger keine Bewerbungen mehr geschrieben hast, solltest du unbedingt ein neues Bewerbungsfoto machen lassen. Zudem kannst du meinen Bewerbungsratgeber nutzen, um eine zeitgemäße Bewerbung zu formulieren.

Neue Wege: Alternativen zum klassischen Job

Nicht jeder möchte oder kann mit 60 noch in einem klassischen Vollzeitjob arbeiten. Für viele ist es auch schlicht nicht mehr der richtige Weg, weil sich die Prioritäten, die körperliche Belastbarkeit oder die persönlichen Ziele im Laufe der Jahre verändert haben. Oft passen andere Arbeitsmodelle deutlich besser zur aktuellen Lebenssituation. Manchmal geht es weniger darum, noch mal groß Karriere zu machen, sondern vielmehr darum, Arbeit und Leben in eine stimmige Balance zu bringen. Zu den besten Alternativen gehören:

  • Teilzeit: Dieses Modell bietet dir die Möglichkeit, weiterhin aktiv im Berufsleben zu stehen, gleichzeitig aber mehr Zeit für Familie, Hobbys oder persönliche Projekte zu haben. Besonders attraktiv ist Teilzeit, wenn du zwar gerne deine Expertise einbringst, aber nicht mehr den täglichen Vollzeitdruck spüren möchtest. Auch gesundheitliche Aspekte spielen hier oft eine Rolle.
  • Projektarbeit oder Interim-Management: Solche Einsätze nutzen gezielt das Know-how erfahrener Fachkräfte und sind darauf ausgerichtet, in kurzer Zeit spürbare Ergebnisse zu erzielen. Häufig handelt es sich um zeitlich begrenzte Aufgaben mit klar definierten Zielen, was den Einsatz für dich planbar macht.
  • Beratung: Wenn du über tiefes Fachwissen verfügst, kannst du dieses als Dienstleistung anbieten und dabei flexibel über Umfang und Inhalte entscheiden. Beratung lässt sich zudem gut mit anderen Tätigkeiten kombinieren und kann von punktueller Unterstützung bis hin zu langfristigen Mandaten reichen.
  • Lehre oder Weiterbildung: Wissen an Jüngere weiterzugeben – ob an Schulen, Hochschulen oder in Unternehmen – verbindet die berufliche Tätigkeit mit einem hohen Maß an Sinn. Viele erfahrene Fachkräfte empfinden es als besonders erfüllend, ihre gesammelten Erfahrungen weiterzugeben und dabei die nächste Generation auf ihrem Weg zu begleiten.
  • Ehrenamt: Durch freiwilliges Engagement kannst du einen wertvollen Beitrag leisten, während du neue Kontakte knüpfst und deine persönlichen Kompetenzen erweiterst. Ob im sozialen Bereich, in der Kultur, im Naturschutz oder bei Vereinen – das Spektrum ist groß. Ehrenamtliche Arbeit gibt dir die Möglichkeit, flexibel zu helfen, wo Unterstützung gebraucht wird, und gleichzeitig ein aktiver Teil der Gesellschaft zu bleiben.
  • Freelancing: Als Selbstständiger kannst du gezielt Projekte auswählen, die deinen Interessen und Stärken entsprechen. Dabei bestimmst du selbst über den Arbeitsort, die Zeit und den Umfang der Aufträge. Diese Unabhängigkeit ermöglicht es dir zudem, auch längere Pausen einzulegen oder saisonal zu arbeiten.
  • Hobby als Beruf: Du nähst umweltfreundliche Kinderkleidung oder malst außergewöhnliche Ölbilder? Nicht wenige ältere Arbeitnehmer machen ihr Hobby zum Beruf und starten noch einmal komplett neu durch. Oft wird dieser Schritt als besonders befreiend empfunden, weil er Herzblut und Arbeit vereint.

Es muss nicht immer der eine große Job sein, um mit der Arbeit im Alter zufrieden zu sein. Viele ältere Arbeitnehmer kombinieren heutzutage mehrere kleinere Rollen, zum Beispiel Autorenkarriere plus Lehrauftrag oder Teilzeitstelle plus Ehrenamt. Manchmal entsteht daraus ein bunter Wochenplan, der mehr Vielfalt und Lebensfreude bietet als ein einziger Vollzeitjob. Mit einem solchen Mix bleibst du nicht nur finanziell flexibel, sondern auch geistig fit. Gleichzeitig kannst du dir deine favorisierten Tätigkeiten individuell mit deiner gewünschten Stundenanzahl zusammenstellen.

Du willst dich mit 60 noch einmal beruflich verändern? Worauf wartest du noch? Die Möglichkeiten sind vielfältig und der beste Zeitpunkt, damit zu starten, ist möglicherweise genau jetzt.

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